Smart Cities – Wie Google den Städtebau revolutionieren will

Die Welt wird immer smarter. Ein Smartphone hat heute fast jeder in seiner Tasche. Auch Smart Home-Technologie erfreut sich trotz steter Sicherheitsbedenken wachsender Beliebtheit. Munter werden die Häuser mit intelligenten Kühlschränken und per Smartphone steuerbaren Heiz und Lichtanlagen aufgerüstet. Auch wenn sich in Deutschland noch viele vor Smart Homes fürchten, wird die nächste Frage laut. Lassen sich auch Städte „smart“ machen?

Quayside – Googles Zukunftsvision

Sidewalk Labs, ein Tochterunternehmen des Google-Mutterkonzerns Alphabet geht ihre eigene Vision einer intelligenten Stadt an. In Zusammenarbeit mit der Stadt Toronto soll auf vorerst 50.000 Quadratmetern eine neue Nachbarschaft für 5.000-10.000 Menschen entstehen, die einem Science Fiction Roman entspringen könnte. Quayside, wie sich die „Stadt der Zukunft“ nennt, soll sich den Bedürfnissen seiner Bewohner jederzeit anpassen. Gebäude sollen so konzipiert werden, dass sie je nach Bedarf flexibel als Wohn-, Büro- oder Gewerbefläche genutzt werden können. Als Baumaterial wird vor allem Holz genutzt.

Auch der Verkehr soll stark reduziert werden. Zum einen sollen autonom fahrende Autos eingesetzt werden. Sie haben bis zu zwölf Sitzplätze und berechnen selbstständig die günstigste Route, um alle Fahrgäste an ihr Ziel zu bringen. Durch ein LED-System sollen sich Spuren für Fahrradfahrer und Autos sogar anpassen lassen. Beheizte Bodenplatten sorgen zudem selbst im Winter für schneefreie Wege.

Der Warenverkehr wird außerdem unter die Erde verlagert. Jedes Haus wird an das gigantische Netzwerk aus Tunneln angeschlossen, welches die ganze Stadt durchzieht. Dort sind Roboter dafür zuständig, die Waren an ihren Bestimmungsort zu bringen und Abfälle zu entsorgen.

Skepsis unter der Bevölkerung

Die Stadt Toronto steht fest hinter dem Projekt. Bei Erfolg bestünde die Möglichkeit, Quayside auf knapp drei Quadratkilometer zu vergrößern. Die Fläche des ehemaligen Industriegebiets soll ohnehin durch die Organisation Waterfront Toronto zu einem Beispiel modernen Städtebaus werden – nicht ganz unähnlich der Hafencity in Hamburg.

Größter Stolperstein für Sidewalk Labs droht jedoch die Bevölkerung Torontos zu werden. Ihnen fehlt es an Transparenz zu den genauen Plänen des Unternehmens. Nicht nur fehlende Zahlen zu Kosten und Unterhalt stehen dabei im Fokus. Vor allem das massive Sammeln von Daten beunruhigt potentielle Bewohner Quaysides.

Um die Vision einer sich größtenteils selbst regulierenden Stadt zu verwirklichen, wird Quayside durch Kameras und Sensoren dauerbewacht. Insgesamt 25 Werte hat Sidewalk Labs identifiziert, die für die Entwicklung, Überwachung und Weiterentwicklung einer Stadt relevant sind. Der Verkehr, sowie die Umwelt- und Lärmbelastung sollen nur einige dieser wichtigen Werte sein. Weiter gedacht könnten aber auch Daten über das Konsumverhalten der Haushalte gesammelt werden, um bedarfsgerecht Geschäfte und Waren zur Verfügung zu stellen. Sogar der Bedarf an öffentlichen Einrichtungen ließe sich durch das Sammeln von Daten ermitteln. Auf der einen Seite ein notwendiger Schritt, um stets dynamisch auf die Bedürfnisse reagieren zu können, auf der anderen Seite eine erschreckende Entwicklung zum gläsernen Menschen.

Das Problem ein Vorreiter zu sein

Quayside hat die Herausforderung, etwas ganz Neues zu sein. Der Begriff „Smart City“ boomt und viele Städte geben Pläne bekannt sich entsprechend zu entwickeln. Dabei geht es meistens um die Reduzierung der Umweltbelastung, seltener um eine vollständige Digitalisierung der Stadt. Kopenhagens Pläne kommen denen der Google-Stadt noch am nächsten. Nicht nur möchte die dänische Vorzeigestadt bis 2025 CO²-neutral werden. Auch in Kopenhagen werden vermehrt Daten über Stadt und Bewohner gesammelt. Die gesammelten Daten sollen nicht nur der Stadtplanung zu Gute kommen, sondern auch den Bürgern selbst. Mittels einer App können die Kopenhagener selbst ihren Energieverbrauch oder ihr Nutzungsverhalten der Verkehrsmittel einsehen.

Side Walk Labs ist allerdings ein Privatunternehmen und zudem mit Google verwandt. Auch wenn Google sich „Tu nichts Böses“ auf die Fahne geschrieben hat, stand der Megakonzern immer wieder für seine Datensammelwut in der Kritik. Mit diesem Hintergrund kommt Quayside eine ganz andere mediale Aufmerksamkeit zu, als der dänischen Smart City. Außerdem geht Side Walk Labs durch die komplette Digitalisierung einen Schritt weiter.

Konkurrenz aus Asien

Pläne, dass nur noch jeder 5. Einwohner Quaysides ein Auto haben würde, werden in der Realität schwer umzusetzen, wenn die Bewohner sich auch regelmäßig außerhalb ihrer Nachbarschaft bewegen. Bei vorerst 50.000 Quadratmetern lässt sich dort alles zu Fuß erreichen. Möchte man darüber hinaus, ist es vorbei mit unterirdischen Warensystemen und Roboterautos, die sich vorerst auf das kleine Areal beschränken. Einige Technologien werden also erst bei flächendeckender Nutzung ihren wahren Nutzen entfalten.

Die Pläne sind nichtsdestotrotz spannend und ohne einen ersten Schritt kann Fortschritt nicht stattfinden. Am Ende werden in Quayside jene wohnen, die offen gegenüber technologischer Fortschritte sind und sich nicht vor der Datenkrake fürchten. Die Praxis wird dann zeigen, wie gut die Zukunftsvision wirklich funktioniert. Zu viel Zeit sollten sich Stadt und Unternehmen jedoch nicht nehmen. Die Konkurrenz steht bereits in den Startlöchern und kommt vor allem aus Asien. Die meisten Smart City-Projekte werden derzeit in China gestartet und Saudi Arabien plant ganze 500 Milliarden Dollar in die Hand zu nehmen, um die modernste Metropole der Welt zu erschaffen.


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